Wie ich meinene Schweißhunde machte
„Wenn ein Hund nur darf, wenn er soll,
aber nie kann, wenn er will,
dann mag er auch nicht, wenn er muss!
Wenn er aber darf, wenn er will,
dann mag er, auch wenn er soll,
und dann kann er, auch wenn er muss.
Denn, Hunde, die können sollen,
wollen dürfen.“
Dies ist kein neues "Hundeerziehungssystem".
Es handelt sich um Erfahrungsberichte und verschiedene Gedanken, um deren Niederschrift mich Jagdfreunde baten.
Doktor Zhivago
Von den Welpen hatte ich mir den ruhigsten aber auch den eigenwilligsten ausgesucht, allerdings nur nach dem ersten Eindruck. Die Tests, die verschiedentlich vorgeschlagen werden, habe ich mir geschenkt. Ich teilte dem Züchter meinen Wunsch nach einem „Nachsuchenhund“ mit und er hätte offenbar die gleiche Wahl wie ich getroffen.
Einige Tage hatte der kleine Wicht Eingewöhnungszeit – dann begann die "Ausbildung" - natürlich ist dieser erste Teil der Ausbildung ein Spiel, ohne jede, aber auch wirklich jede negative Erfahrung für den kleinen Dielenscheißer.
Die Werkzeuge
Wenn ich nun die Ausbildung meines Hundes nur mit den Werkzeugen "emphatische Aufmerksamkeit" als positive Reaktion und "gelangweilte Ignoranz" als negative Reaktion durchführen will, muss er voll auf mich geprägt sein und meine Rudelführerschaft als „gottgegeben“ und als seinen positiven Lebensentwurf anerkennen. Nur so wird er meinen „Werkzeugen“ auch Wirkmacht in seinem erst kleinen Leben einräumen. Er muß mich wirklich als seine Autorität "mögen", mir vertrauen. Dafür verabreiche ich meine Aufmerksamkeit -nach der ja jeder Hund ständig heischt- nicht inflationär. Meine wohlwollende und immer absolut authentische Aufmerksamkeit, bleibt für den Hund etwas wertvolles, begehrenswertes. Ständiges "Gerede" und "befummeln" des Hundes wird sein Interesse an mir - und damit seine Bereitschaft das richtige zu meinem Gefallen zu tun - abflachen.
Ich bin mir sicher, daß ich Zwang oder gar Gewalt, ja auch Dressur, komplett vergessen muß, wenn ich eine Brandlbracke zu Höchstleistungen bringen will. Sie muß wirklich wollen, sie muß mir vertrauen. Das ist die intrinsische Motivation, die Motivation aus sich selbst heraus - ohne Gegenleistung. Selbstredend, daß Stachelhalsbänder, Elektroschocks oder ähnliche Mittel niemals vorkommen.
Zur "Initiierung" dieser intrinsischen Motivation ist es natürlich auch eine Frage, was der Hund von mir erwarten darf: jeden Tag zwei Spaziergänge an der Leine, immer den selben Feldweg rauf und runter, oder die herrlichsten "Abenteuer" ganz nach seinem "Geschmack".
Was wird wohl seine Lust steigern, mit mir zu arbeiten?
Aus diesem Grund übe ich im ersten Jahr fast nur die Aspekte der Fährtenarbeit, die seinem Naturell entgegen kommen und ihm große Freude bereiten und erst danach die notwendige Disziplin - dann weiß der Hund aber bereits, daß ich sein Garant für die Erfüllung seiner schönsten Träume bin und es Sinn macht mich bei Laune zu halten und mit mir zusammen zu arbeiten.
Eine große positive Erlebnistiefe zusammen mit seinem Boss, schon als Welpe, schweißt den Hund an seinen Führer und Partner.
Wer ist hier der Boss
Die Autorität des Rudelführers ist ein gar eigenes Ding. Sie kommt weder durch Gewalt, Aggression oder Zwang, schon gar nicht durch Dressur zustande. Sie ist gleichsam einfach da, ganz natürlich - und wird dennoch nur durch das Verhalten des Rudelführers, der seinen Rang im Rudel jederzeit auch verlieren kann, aufrechterhalten. Es gibt eine Reihe von Symbolen, die diese Führerschaft in der Lebenswelt eines Hundes legitimieren, Symbole, denen wir zum Teil als Menschen kaum oder gar kein Gewicht zumessen - und doch haben diese im Assoziationshorizont des Hundes eine konsistente Bedeutung.
Alle meine Brandlbracken, haben und hatten einen natürlichen "Respekt" vor mir, als Rudelführer. Ohne, daß ich Gewalt angewendet habe, ist es sozusagen eine unausgesprochene Vereinbarung, daß ich nicht zurückschrecken würde, sie im Falle einer körperlichen Herausforderung im Kampf zu besiegen, wozu es niemals kam. Auch niederdrücken, auf den Rücken zwingen und ähnliches kommt nicht vor.
Und dennoch entsteht eine gesunden Distanz, wie man sie auch in einem Wolfsrudel beobachten kann.
Andererseits kann ich beobachten, daß meine Hunde durchaus versuchen ihre "erarbeitete" Position im Rudel auch zu "verteidigen".
Ich könnte sagen: sie geben nicht einfach alles her, wie es von vielen Gesellschaftshunden heute gefordert wird. Den "will to please", diesen uneingeschränkten Willen "zu gefallen", sucht man bei den Brandl´s vergeblich und für meinen Geschmack zeigen einige Hunderassen eine Distanz- und Respektlosigkeit, die nur erträglich ist, weil diesen Hunden wirklich jegliche Agrression fehlt. Es fällt ihnen niemals ein, bei der Durchsetzung ihrer "Wünsche" Agression auch nur in Erwägung zu ziehen.
Zuerst ist da die Körpersprache. Als Rudelführer trete ich immer ruhig auf, unbeeindruckt, souverän, aufgerichtet, sicher, ohne Angst. Ich spreche nicht laut aber fest und deutlich und bringe meine Anweisungen immer, wirklich immer zum Ziel, selbst wenn mir eine eventuelle Sinnlosigkeit der bereits ausgesprochenen Anweisung plötzlich klar wird. Anweisungen werden befolgt, und zwar bis zur kompletten Erfüllung der Aufgabe, wie ein Ritual, das nur komplett seine Wirkmacht entfalten kann. Immer !!!
Der Rudelführer entscheidet völlig unaufgeregt wann und wo gefressen, gespielt, gelegen, gesessen, geschlafen, gejagt, gestreichelt, geklaut, geruht, genascht, gewartet oder sich aufgeregt wird. Ich diskutiere nicht mit meinem Hund und ich erkläre ihm nichts. Ich entscheide einfach alles und muss mir allerdings jederzeit klar sein, wann der Hund versucht meine Entscheidungen zu manipulieren, ohne dass ich das bemerke. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn ich auf seine Aufforderung zum Spielen, zum Spazierengehen oder zum Kuscheln eingehe. Gehe ich auf seine Aufforderungen ein, gleich welcher Art sie sind, hat er entschieden. Aber wer ignoriert schon gerne die Spielaufforderung seines kleinen, süßen Welpen mit dem bettelnden Gesichtsausdruck?
NIEMALS bin ich seine Ressource, auf die der Hund nach belieben zugreifen kann.
Nun sind da die konkreten Symbole. Ich steige zum Beispiel niemals über den ruhenden Hund hinweg, er hat die Bahn zu räumen, einzige Ausnahme: wenn er auf seinem persönlichen Platz liegt. Der wunderbar fussbodenheizungswarme Platz auf dem Teppich vor dem Waschbecken im Bad allerdings ist prompt zu räumen, wenn ich zum Zähneputzen erscheine. Schon die Art meines Erscheinens signalisiert ihm: ich werde unbeeindruckt langgehen wo ich will – du musst auf jeden Fall weichen. Um ihm das beizubringen muss ich ihn keineswegs treten – ich muss es von Beginn an stringent durchhalten. Mal „ja“, mal „nein“ geht wohl beim alten Hund, mit dem die Regeln längst geklärt sind – niemals aber beim Hund im „besten Alter“. Kein Hund mag Missverständnisse.
In allen Dingen will der Hund Klarheit, darf er auf das Sofa oder darf er es nicht. Mein Hund darf es nicht, diesen Platz beanspruche ich als Boss, auch ein Symbol.
Liege ich auf dem Sofa für meinen Mittagsschlaf, ignoriere ich den Kleinen völlig, wenn er mit einer Spielaufforderung ankommt, zupft er gar an meiner Hose, weise ich ihn knapp und deutlich zurecht. Keinesfalls erkläre ich ihm meine Müdigkeit - dann hat er nämlich schon meine Aufmerksamkeit und damit einen Teilerfolg errungen. Bin ich fertig mit meinem Mittagsschlaf rufe ich ihn heran und gebe ihm seine "Spielstunde". Nur mein Wille zählt, ich mache, was ich will, wann ich will, wie ich will, ich bitte auch niemals um Entschuldigung und ich gebe niemals nach.
Kommt der Hund und gräbt seine Nase unter meine Hand um sich Streicheleinheiten zu holen, ignoriere ich das völlig, nicht missgelaunt, nicht zugewandt, nicht unfreundlich, nicht freundlich, wendet sich der Hund wegen der Erfolglosigkeit seines Tuns endlich ab, kann ich ihn nach wenigen Sekunden heranrufen, um ihm genau das zu verabreichen, was er wollte, jetzt aber habe ich den Zeitpunkt zum Streicheln entschieden. Steht der Hund vor der Terrassentür, weil er hinaus will, lasse ich ihn stets etwas warten, dann entscheide ich, aktiv aber von ihm schon fast unerwartet. Das übt auch gleich seine Geduld. Das gilt allerdings nicht, wenn der Hund raus muss, diesen Zeiger quittiere ich mit prompter Reaktion und Lob. Ob der Hund „raus muss“ oder „raus will“, sollte jeder Hundeführer bald verstanden haben. Bringt der Hund seinen Fressnapf, gibt es erst recht nichts zu Fressen. Sogar wenn er sein Apportierspielzeug brav aber unaufgefordert heranbringt, gerate ich keineswegs wie auf Knopfdruck in Wallung sondern lasse ihn „abblitzen“, fordere ihn aber sofort zum Spiel, wenn er aufgegeben hat. Dann habe ich eine klare Ansage gemacht: ich entscheide wann gespielt wird, weil ich der Boss bin. Natürlich fühlt es sich nicht unbedingt gut an, seinen kleinen Liebling regelmäßig abblitzen zu lassen – aber so funktioniert das System. Ein Hund leidet nicht darunter untergeordnet zu sein – auch im Wolfsrudel kommt nur einer unter vielen zum Zug, das gilt übrigens auch für die Fortpflanzung. Der Rüde, der mit herzzerreißendem Gesang, nach seiner Liebsten schmachtend an der Terrassentür steht, muss nicht gleich kastriert werden „… weil er doch so leidet …“. Eine „heiße“ Artgenossin in der Nähe und nicht „zum Zuge kommen zu dürfen“ gehört zum normalen Lebensalltag praktisch eines jeden höheren männlichen Säugetieres.
Der Manipulator
Ich muss sofort erkennen, wenn der Hund beginnt mich zu manipulieren. „Schuldbewusstes“ Schauen zum Beispiel ist pure Manipulation, er hat gelernt, dass dieses Verhalten stets die von ihm gewünschte Wirkung zeigt. Der Mensch glaubt, dieser Gesichtsausdruck ist Ergebnis seines "Schuldbewusstseins", weil er zum Beispiel an den Keksen auf dem Couchtisch genascht hat. Nein, in Wirklichkeit hat mich der Hund in sekundenschnelle gelesen, meinen Unmut (auch ohne diesen wirklich mit den angeknabberten Keksen in Verbindung zu bringen) hat er sofort registriert, denn er tut den ganzen Tag nicht viel anderes als mich zu "lesen" und zu taxieren und er hat schnell gelernt, dass ein schuldbewusster Gesichtsausdruck und demütiges Herankrabbeln meinen Grimm sofort positiv beeinflussen. Die Kekse sind -ohne dass uns das klar wird- gar nicht sein Thema, die hat er nämlich schon vor Stunden genascht und längst vergessen. Und schon hat er uns manipuliert - weil wir seinen Assoziationshorizont nicht verstanden haben. Strafen wir ihn jetzt, ist es fast sicher, dass der Hund gar nicht merkt wofür er bestraft wird - und schon haben wir den Grundstein für seine Unsicherheit gelegt. Hat er doch ein Verhalten vorgelegt, das uns sonst besänftigt – jetzt aber zeigen wir Grimm und werden damit unberechenbar für unseren Gefährten, der Tod für eine gute Beziehung zu unserem Hund. Erst glauben wir, er würde sich bei uns "entschuldigen", dann legen wir ihm eine Strafe auf, die er nicht versteht. Eine klassische Situation im Repertoire der vielen Missverständnisse zwischen Hund und Mensch. Der Hund hat keinen menschlichen Assoziationshorizont. Er kann den vor Stunden geklauten Keks nur ganz bedingt (wenn überhaupt) mit unserer Strafe Stunden später verknüpfen. Also, solche Situationen vorab vermeiden, sind sie geschehen: äußerste Vorsicht mit Strafen. Ich muß mich immer fragen ob er Aktion und Reaktion auch wirklich miteinander verknüpft und es nicht nur den Anschein erweckt weil er doch so "menschlich angemessen" reagiert, was aber reine Anpassung ist.
Hat er eines Tages tatsächlich gelernt, dass er sich erst wieder abwenden muss um seine Streicheleinheit zu bekommen, weil der Boss das immer so macht, muss ich einfach nur das von ihm gewünschte Verhalten unterlassen und er wird dieses Verhalten schnell wieder einstellen. Die Fähigkeiten eines Hundes uns durch die Art seines Auftretens zu manipulieren, unterschätzen wir wahrscheinlich alle. Und ein großer Teil seines Tages besteht in den ständigen Versuchen uns zu seinem Vorteil zu steuern, letzendlich um Macht zu gewinnen. Denn nur die Vormachtstellung sichert ihm oder auch ihr einen Platz unter den „Vererbern“ des Rudels. Steht Zhivago am Zaun und singt ein Liebeslied für die Liebste – was er geradezu virtuos beherrscht- reicht mein bloßes Auftauchen am Horizont und er verstummt, weicht völlig geräuschlos zur Seite, ein Konflikt mit mir als "Alphamännchen" um das fortpflanzungsbereite Weibchen kommt für ihn überhaupt nicht in Frage.
Ich bin stark
Andererseits muss ich in diesem System aber auch die Aufgaben des Rudelführers sehr gewissenhaft und völlig souverän übernehmen. Klingelt es an der Tür, lasse ich den Hund nicht ausgedehnt kläffend auf und ab springen sondern erscheine prompt und sehr präsent aber völlig relaxed auf der Bildfläche und signalisiere: ich übernehme diesen Feindkontakt - du kannst dich zurückziehen, dann baue ich mich zwischen ihm und der Tür auf und übernehme das „Problem“ souverän. Keinesfalls brülle ich den Hund zurecht oder drangsaliere ihn, damit eskaliere ich die Situation und beziehe ihn mit ein. Auch Gebrüll und negative Eskalation bedeuten für den Hund Einbeziehung, bedeutet für einen Hund Aufmerksamkeit und die ist ihm oft noch lieber als Ignoranz. Ich muss ihm klar machen: nicht dein Ding – geh doch einfach auf deinen Platz, erst wenn das klar ist, öffne ich die Tür. Dabei muss der Hund nicht unbedingt auf seinen Platz verwiesen werden, er muss nur verstehen: „das ist nicht meine Baustelle sondern die vom Boss“. Allerdings muss ich mich auch wie ein Boss benehmen: explizit und dominant aktiv sein auf dieser Baustelle, der Hund muss erkennen: das Problem wird vom Boss gelöst, zu aller Zufriedenheit, die Situation entwickelt sich friedlich, der Gast der eben geklingelt hat, ist keine Bedrohung. Das prompte und souveräne Lösen des Problemes durch den Boss macht ihm das klar. Ein Hund der sich immer unklar ist, ob er jetzt das Rudel verteidigen muss oder nicht, ist ein unglücklicher Hund. Er will wissen: ist er der Chef oder ist er es nicht - und er hat kein Problem damit nicht der Chef zu sein. Wenn er aber erst das Rudel mit seinem Leben an der Haustür verteidigen muss (weil die anderen Rudelmitglieder viel zu zögerlich sind) und wird dann genau dafür gerügt oder gar gestraft und harsch (vielleicht noch von einem Rudelmitglied mit ansonsten eher niederer Rangordnung) auf seinen Platz verwiesen, ist die Welt des Hundes in Unordnung – kein Hund liebt das. So werden verunsicherte Hunde gemacht. Ich glaube besonders bei den Bracken an dieser Stelle eine Empfindlichkeit ausgemacht zu haben.
Also, frisch aufgesprungen, wenn es an der Tür klingelt und freundliche aber unmißverständliche Präsenz zeigen...
Das Gleiche gilt für Begegnungen mit anderen Hunden, durch meinen engagierten aber viel zu lauten, vielleicht sogar hysterischen Versuch den Hund zu disziplinieren signalisiere ich: es gibt ein Problem, mit dem ich, der Boss, überfordert bin. Zerren oder rucken an der Leine, schimpfen, ermahnen, heißt für den Hund nur eines: ESKALATION !! die meisten Hunde geraten jetzt in den Verteidigungsmodus, sie fühlen sich zuständig für die Bedrohung, die jetzt dem Rudel gegenüber steht. Das Beste in dieser Situation ist: Leine los. Das geht aber nicht immer, dann muss ich unbedingt eine demonstrative Ruhe bewahren. Ein hysterischer Auftritt meinerseits ist immer kontraproduktiv.
Ich nahm den Kleinen also überall mit hin, was mein beruflicher Alltag auch erlaubte. Seine ersten Reisen unternahm er so in der großen Tasche meiner Filzjacke. Ich fütterte ihn, führte ihn aus, pflegte ihn. Meine Frau hatte „Hundeverbot“, was sie mir übel nahm, „… ich kann doch jetzt mal mit ihm rausgehen… „ „nein“ „warum denn nicht, du hast doch sowieso keine Zeit“ „nein“ „…“.
Ein ganzes Jahr habe ich diese Prägung durchgezogen, dann habe ich die Regeln aufgeweicht und zugelassen, dass auch meine Frau mit dem Hund Gassi geht und ähnliches. Der Hund war aber nun auf mich bezogen und heischte nach meiner Aufmerksamkeit, fühlte sich durch meine offen sichtbare Empathie, für ihn und seine Interessen, sofort motiviert. Und ließ bei meinem Desinteresse sofort ab.
Ganz wichtig war seine Hundebox, eine feste, gute Hundekiste, die später im Auto als Hundebox stehen sollte. In den ersten Wochen stand diese Kiste neben meinem Bett direkt am Kopfende, mir zugewendet. Nachdem der Welpe die ersten Tage bei mir im Bett verbrachte (dafür ziehe ich immer ins Gästezimmer), fand er sich, wie von selbst, in dieser Kiste wieder. Die Hundekiste stellte ich auf eine Getränkekiste, so war der Kleine nur wenige Zentimeter von mir entfernt. Bei Unruhe konnte ich den Welpen ansprechen und mit der Hand beruhigen, mit Futter wurde er auch tagsüber immer wieder hineingelockt, rührte er sich nachts in der Kiste, weil er raus musste, bekam ich das sofort mit (notfalls mit Hilfe zweier leerer Bierbüchsen, die ich in der Nähe der Tür platzierte) und trug ihn nach draußen, um die Chancen eines Unfalls zu minimieren. Überschwängliches Lob, wenn alles klappte, gelassene Ignoranz, wenn es schiefging, keine Strafe. Den Hund gar mit der Nase in den „entgleisten“ Haufen stoßen, ist ein absolutes „no go“.
Dann rutschte die Kiste jeden Tag einige Zentimeter weg von meinem Bett, raus aus dem Schlafzimmer, die Treppe hinunter, bis sie an „ihrem Platz“ stand, die Schlafzimmertür war nun auch verschlossen und –wie zufällig- blieb dann eines Nachts auch die Tür der Hundekiste offen und der Hund durfte von nun an seinen Schlafplatz selber wählen, der jetzt keineswegs zwingend in meiner Nähe sein musste. Die Kiste bleibt nun für immer der einzige Ort auf der Welt, an dem die absolute Unversehrbarkeit seines Heimes gilt, die Kiste ist ausschließlich positiv besetzt, sie wird niemals mit Strafe, Gängelung oder Dressur verbunden. Das kann in vielen Situationen, in denen man den Hund einfach mal aus dem Geschehen nehmen will, z. B. in einem Hotelzimmer, sehr nützlich sein. Ist die Kiste für den Hund positiv besetzt, bleibt er gerne darin und beruhigt sich sehr schnell. Mit dieser Hundebox im Auto lernen meine Hunde auch das Alleinsein, im Auto sind sie offenbar eher bereit auf ihr Herrchen zu warten. Einsteigen, aussteigen, fahren, wieder aussteigen, lässt den "Verlust" scheinbar besser "verschwimmen".
Schon nach wenigen Tagen stand der Futternapf am Ende einer Spur, natürlich nur wenige Meter lang, bald darauf um eine Zimmerecke, gezogen mit einem Besenstil, den ich zuvor in das Futter getaucht hatte. Die Spur wurde nun in den kommenden Wochen länger und länger, war auch nicht mehr gezogen, sondern getupft, ging schließlich durch den ganzen Garten, mit Kurven und Haken, später mit Schleifen, stets angelegt, wenn der Hund nicht zusah. Dann hatte er wie zufällig eine dünne Schnur am Halsband, dann nahm ich wie zufällig die Schnur in die Hand, dann verlangsamte ich ihn wie zufällig an der Schnur. Und immer, aber auch wirklich immer kam der Hund am Ziel an, auch mit meiner Hilfe und niemals waren die Spuren so lang, dass zwischendurch Mühseligkeit aufkam, wenn diese aber doch drohte, half ich dem Hund sofort und freudig zum Ziel, als hätte ich ihm sowieso helfen wollen, kein Korrigieren, kein Dressieren, kein Erziehen, kein mühseliges "ich zeige dir die Spur". Später führte ich ihn beim Verlust der Spur einfach irgendwo quer über dieselbe hinweg, konnte oder wollte er sie dennoch nicht wieder aufnehmen, führte ich ihn zum Ziel, voller Freude ihm helfen zu können. Diese Spur ist das Beste was uns beiden passieren kann, auf ihr sind wir ausschließlich positiv vereint, auf ihr sind wir beste Freunde für immer …. überschwängliche, und vor allem echte Freude und ungeteilte Aufmerksamkeit sind stets das Ergebnis unserer Ankunft.
Langsam begann ich die Schnur auch wirklich zu führen, auch ein plötzliches Stoppen meinerseits darf den Finderwillen des Hunds nicht unterbrechen und wird darum durch freundliche Aufforderung zur Weiterarbeit unterstützt. Verschiedene Ablenkungsmanöver wurden nach und nach eingebaut. Dann war die Fährte mit Wildwitterung (Schalen, Lauscher usw.) gelegt. Fließend, unmerklich gingen diese Übungen in echte Fahrtenschuh – Fährten über.
Viele Gänge im Revier waren selbstverständlich, wobei der Hund stets deutlich zwischen Arbeitsphasen und Freizeit unterscheiden sollte, die Entlassung aus dem Dienst erfolgt mit einer eindeutigen Aufforderung. Die Hereinnahme in den Apell ist ebenso eindeutig. Im Apell ist der Hund praktisch nie ohne Job. Sitzen, liegen, warten, bei Fuß gehen, an der Leine bei Fuß gehen, Voransuchen, Riemenarbeit - alles Jobs. Nach der expliziten Entlassung aus dem Job (ich habe den Befehl „lauf“) gilt nur noch: in meiner Nähe bleiben und achten wo ich bin. Nach einer Arbeitsphase, die immer endet bevor es mühselig wird, folgt immer fröhliche Freizeit. Oft reichen 10 Minuten Arbeitsphase völlig aus.
Ablegen und Liegenbleiben ist eine sehr wichtige Übung, die lange ausgedehnt wird. Dabei verschwinde ich regelmäßig völlig aus dem Sichtfeld des Hundes, mein Hundeortungsgerät hilf mir seinen Status zu kontrollieren. Immer komme ich wieder und hole ihn ab, er darf keine Angst haben, "verlassen" zu werden. Ich rufe ihn auch nicht heran, ich hole ihn ab, sonst würde er ja nur unter Strom "auf dem Sprung" warten, ihn vom Ablegen aus der Ferne heran zu rufen erfolgte erst sehr viel später. Kurzes Erheben um zu schauen wo der Boss wohl ist, wird toleriert, er sollte sich aber selbstständig wieder niederlassen.
Verlass mich nicht
Eine weitere sehr wichtige Übung: eilte der Welpe auf dem Weg voller Tatendrang nach vorne weg, versteckte ich mich unbemerkt schnell seitlich im Wald, so lernte der Hund mich zu suchen aber auch regelmäßig seine Aufmerksamkeit auf mich zu richten, diese Situationen habe ich regelrecht forciert und die entsprechenden Wege auf denen ein seitliches Abtauchen möglich ist, bewusst ausgesucht. Das klappt natürlich nur so lange der Welpe noch Angst hat verloren zu gehen. Diese Angst mache ich mir zunutze, um ihn auf mich zu konzentrieren. Ein paar Sekunden ängstliches Kläffen des "Verlorenen" wirken Wunder, wenn dann der rettende Pfiff, ganz leise aus dem Versteck, die Richtung anzeigt, in die man jetzt schnell suchen muss um in die rettenden Arme geschlossen zu werden. Irgendwann begriff der Welpe ganz von selbst, dass er nur die Nase senken muss um mich sicher zu finden. Dieses Spiel wurde reichlich geübt und hat zur Folge, dass der Hund einerseits intuitiv Kontakt zu mir hält aber ohne zu kleben - da er sich seiner "Finderkunst" ganz sicher ist, kann er nicht verloren gehen, diesen Zusammenhang muß er herstellen. Diese Übung klappt nur in einer ganz kurzen Phase des Welpenalters; der Welpe hat bereits reges Interesse an seiner Umwelt aber noch Angst verloren zu gehen. In dieser Phase kann ich seine intuitive Aufmerksamkeit auf mich festigen, indem diese mit meinem unbedingten Wohlwollen und den "schönsten Entdeckungen" positiv besetzt wird. Der Hund sollte jetzt viel ohne Leine laufen. Nicht die fortwährende Gängelung an der Leine und sein daraus folgendes ständiges Bestreben sich mir zu entziehen, sondern seine Hinwendung zu mir und die damit verbundene "Freiheit" müssen in dieser Phase prägend sein.
Das "Herum - laufen" und Gezerre an der Leine ist für den Hund wie das Lesen eines Buches, bei dem jede zweite Seite herausgerissen wurde. Denn die Aufnahme der "geruchlichen Szenen" um ihn herum ist eine der wichtigsten Lebensäußerungen eines jeden Hundes. Die Leine arbeitet aber ständig gegen dieses Strebern "jede Zeile schön zu Ende zu lesen". Kann er frei laufen, wird es zu seiner "freien" Entscheidung "bei mir zu bleiben", das wird das gesamte Leben prägen. In dieser Phase entsteht das ungute "Grundgefühl" vieler Leinen - Hunde: "wie kann ich mich bloß dieser Gängelung an der Leine entziehen". Wird er dann endlich in der Feldmark losgemacht, ist erwartbar, was dann passiert: "... jetzt aber her mit der Freiheit". Man kann oft beobachten, daß diese Hunde nur deshalb nicht folgen, weil sie fürchten ihre Bewegungsfreiheit wieder einzubüßen. Die Leine ist zu etwas absolut lästigem geworden.
Ist der Hund erstmal in diese Richtung geprägt, kann nur noch mit großem Aufwand gegengehalten werden.
Dies ist eine extrem wichtige Phase, die oft nur wenige Wochen dauert und die mit größter Sensibilität und Sorgfalt gehändelt werden muß - ich will ja auch keinen Angsthasen heranbilden. In dieser Phase gehe ich äußerst aufmerksam auf die charakterlichen Unterschiede der Hunde ein. Lässt mich der Hund in der Folge im Revier nicht mehr aus den Augen, ist die weitere Arbeit himmelweit einfacher.
Meine Hunde werden im Revier fast nie an der Leine geführt und brennen trotzdem nicht bei jedem Hasenfurz, der ihnen in die Nase steigt, durch. Denn sie lernen, daß die besseren Abenteuer warten, wenn sie geduldig in meiner Nähe bleiben. Das wiederum funktioniert natürlich nur dann, wenn ich diese Abenteuer dann auch tatsächlich bieten kann. Mit drei Entenjagden im Jahr, bekomme ich weder einen Entenhund hin, noch kann ich ihn auslasten. Dann muß ich natürlich mit der flugunfähig gemachten Ente üben, in meinen Augen absolut keine gute Lösung und der nichtjagenden Öffentlichkeit nicht vermittelbar.
Wie wild ist das denn...
Plötzlich war die Spur zum Fressnapf nicht mehr mit Futter gelegt sondern mit einem Fetzen vom Wild, dann mit Schalen, bis eine echte „Fährtenschuhfährte“ da lag. Die ersten Monate gab es Fressen nur am Ende einer Spur. Ohne Suche – kein Fressen.
Die Fetzen vom Wild hatten große Bedeutung von Beginn an, an einer 3 Meter langen Schnur, die an einer langen Haselrute befestigt war, waren dies Lauscher oder Fellreste der „Reiz“ an der Angel, mit der ich den Hund stundenlang in Bewegung hielt indem ich die Beute dicht vor seiner Nase tanzen und dann zackig „flüchtig“ werden ließ. Natürlich muss er sie bisweilen auch erhaschen und zwar immer gerade dann, wenn sein Interesse zu schwinden droht, so merkt er: „es lohnt sich doch dran zu bleiben, auch das letzte Mal habe ich die Beute erst kurz vor dem Aufgeben erhascht“.
An den Streckenplätzen der Drückjagden übten wir Wildkontakt. Das ist sehr wichtig, der Hund muß seine zukünftige Beute bereits im frühen Welpenalter kennenlernen. Wir wissen, daß auch der Wolfswelpe diesen frühen "input" braucht. Z. war zuerst etwas verängstigt, das legte sich schnell, natürlich ohne Zwang. Zhivago darf das Wild nur an der Drossel packen, der Griff in alle anderen Stellen wird freundlich aber nachdrücklich unterbunden und zwar indem ich meine Hand vor seine Nase schiebe (das muss von Anfang an erfolgen, sonst kann es eine böse und schmerzhafte Überraschung geben). So lernt er intuitiv Wild nur an der Drossel zu packen und gleichzeitig lernt er, dass ich vorrangigen Anspruch auf die Beute habe. Ein wenig Bewegung des toten Wildes, meist indem ich einfach das Haupt aufhebe und es so „belebe“, erweckt und erneuert sofort sein Interesse und bietet die Drossel als Angriffspunkt dar, gleichzeitig wird ihm auch dabei mein Anspruch auf die Beute klar.
Die Arbeit mit dem Fährtenschuh war schon im Alter von 4 Monaten ein zentrales Thema. Bei dieser Arbeit habe ich streng darauf geachtet, dass die Schalen für die Fährte und die Decke am Ziel von demselben Stück waren. Auch der Hund will nicht betrogen werden. Mitunter habe ich am Start mit der Pistole durch die Decke geschossen um eine Partikelwolke zu erzeugen. Manchmal erzeugte ich Wundbetten, indem ich die Decke zwischendurch am Boden rieb oder an Bäume schlug. Rinderblut oder Ähnliches kam niemals zum Einsatz. Ein paar Haare, zwischendurch leicht unter dem Laub verbuddelt, fördern das Verweisen. Bei Übernachtfährten legte ich die Decke natürlich erst kurz vor der Arbeit ans Ziel.
Der Riemen
Dem Schweißriemen messe ich eine ganz besondere Bedeutung zu, er ist der verlängerte Arm des Führers, er ist unser heiliges Arbeitsmittel, er ist das Band unserer Freundschaft. Wird er hervorgeholt soll der Hund in freudige Erwartung geraten. Ich diszipliniere niemals mit dem Schweißriemen, auch führe ich den Hund nicht mit ihm !!!
Am Riemen bestimmt der Hund den Ablauf, der Hund wird mit dem Riemen niemals gegängelt auch nicht herangeholt, wenn er kommen soll. Soll er kommen wird er gerufen oder gepfiffen als wäre er ohne Riemen. Dennoch ist seine Frustrationstoleranz am Riemen wichtig, muss ich stoppen, weil ein Graben zu überwinden ist, der Riemen sich verhakt hat oder er einfach zu schnell ist, darf ihn das nicht von seinem Vorhaben abbringen, sondern soll seinen Eifer eher noch steigern. Anfangs fing ich mir geradezu tödliche Blicke des abgestoppten Hundes ein. Der Riemen wird auch niemals genutzt um den Hund „an der Leine spazieren zu führen“. Benutze ich den Führriemen dennoch bei einem Spaziergang, darf der Hund sofort „arbeiten“ und mir alle Wechsel und Wildwitterungen verweisen. Reflexartig senkt er die Nase. So bildet sich das freie Verweisen heraus. Ich habe also für das "an der Leine führen" sofort eine andere „normale“ Hundeleine verwendet und an dieser Leine wird nicht gesucht und nicht "Zeitung gelesen" (herumgeschnüffelt). Die „Leinenarbeit“ habe ich allerdings erst viel später als die „Riemenarbeit“ geübt. Für den Hund sollte beides unmissverständlich unterscheidbar sein.
Auch nutze ich jede Schneelage zum Üben, dann kann ich im Schnee kontrollieren, was der Hund mir verweist und was er arbeitet. Ich muss immerhin lernen den Hund zu lesen. Denn seine Reaktionen auf die unterschiedlichen Situationen auf der Fährte sind ja nicht eingeübt, sondern sein ganz persönliches Repertoire.
Die Fährte
Auch arbeite ich Gesundfährten mit dem Hund, er lernt, dass diese Fährten interessant sind und zu seinem Repertoire gehören sollen aber niemals zum Ziel führen, die Fähigkeit des Hundes zwischen einer Gesund- und Krankfährte zu unterscheiden ist angewölft. Die Frage welche der Fährten für uns von besonderem Interesse ist, arbeite ich jedoch intensiv und sehr deutlich heraus, indem ich nur bei Krankfähren Interesse zeige. Eine Gesundfährte darf er arbeiten, ich zeige ihm aber demonstrativ nach einer Riemenlänge mein Desinteresse, indem ich stehen bleibe, den Hund durch strenges Festhalten des Riemens abstoppe und mich einfach abwende als wollte ich etwas anderes tun, während ich auf der Krankfährte, (wie auch auf der Übungsfährte) sofort mein Interesse empathisch anmelde, dem Riemen Raum gebe und mich für sein Tun engagiert interessiere und schließlich sind es ja auch nur diese Fährten, die zu einer Beute führen. Diesen Zusammenhang muß er herstellen. Sehe ich in der Ferne gesundes Wild kreuzen, führe ich den Hund bewusst auf dessen Fährte, sehe ob er die Laufrichtung korrekt klärt, lasse ihn dann eine kleine Strecke arbeiten, stoppe den Riemen ab und beende das Ganze durch mein demonstratives Desinteresse. Echte Krankfährten machen als Übung auch dann noch Sinn, wenn Sie von einem Nachsuchengespann bereits gearbeitet wurden, der Hund kann die Witterung von Mensch, Hund und Wild besser ausbuchstabieren als wir so gemeinhin glauben. Allerdings habe ich dann das Problem ein adäquates Ziel bereit zu stellen. Am besten liegt noch das erlegte Stück da (Vorsicht wenn der Finder noch am Ort ist, eine Beisserei an der Beute ist absolut unerfreulich)
Frühzeitig im eigenen Revier eine echte Krankfährte zu arbeiten, besser: zu "spielen", ist natürlich unersetzbar und hatte bei Zhivago eine regelrechte „Zündfunktion“. Absichtliches Krankschießen kommt nicht in Frage, allerdings habe ich mit einem eigenen Revier und vielen Revierinhabern unter den Jagdkameraden beste Voraussetzungen und die Gelegenheiten kamen von selbst.
Jedes, wirklich jedes ! geschossene Stück, das auch nur 10 Meter Flucht hinlegte, wurde gearbeitet, der Hund sieht das nah liegende Stück aus seiner niedrigen Position meist auch gar nicht. Lag das Stück auf dem Fleck zog ich es einige Meter ins nächste Gebüsch. Erst nach der "Suche" habe ich das Stück aufgebrochen. Das geht natürlich nur dann, wenn der Hund sofort "zur Hand" ist und das wiederum geht natürlich nur dann, wenn der Hund alleine im Auto bleiben kann, denn ich habe den kleinen Banditen ja noch nicht auf Schußfestigkeit trainiert. Hier kommt die Hundekiste wieder ins Spiel - nur wenn diese positiv besetzt ist, bleibt schon der Welpe voller froher Erwartung aber ruhig in ihr hocken, egal wo sie gerade steht.
Jedes Mal rüsteten wir uns auf, als wäre das jetzt die eine große Lebenssuche, so wird der ganze Vorbereitungsprozess zu einem fast meditativen Sammlungsprozess. Diese Zeit muss genommen werden, denn Routine ist alles.
Auch heute mache ich keine Suche „mal eben so“, auch wenn der Schütze meine Aufrödelei mit belustigtem Lächeln quittiert, daneben steht und beteuert, das Stück muss doch dahinten schon liegen. Immer rüste ich mich aus und gehe es an, als wenn es um alles ginge; mitten im Gelände stehen, etwas Schweiß, kein Stück in Sicht, stattdessen riesige Dickungskomplexe, in die der Hund mit großem Druck hinein zieht, ohne Knarre (die im vielleicht auch noch unabgeschlossenen Auto liegt) ohne Sendehalsband am Hund und Ortungsgerät am Mann, ohne Suchgeschirr, nur mit seinem Sonntagshalsband, mit hübschem Jäckchen in den Dornen und leichten Schuhen im Matschloch … mitten auf der großen Suche und völlig unausgerüstet, das ist mir nur einmal passiert.
Und übrigens: kommt der Hund nach einem ungewollten Ausflug zurück, wird er gelobt, oder zumindest völlig kommentarlos ins Auto gesetzt. Strafe bringt er ansonsten mit seiner Rückkehr in Verbindung – nicht mit seinem Ausreißen. Und es ist ja gerade diese Jagd das Credo der Bracken. Ich würde ihn für seinen ureigenen Trieb, für das was er ja später mit großer Passion machen soll, bestrafen ...
Es sollte zu dieser Situation möglichst nicht kommen. Gejagt wird immer mit dem Boss. Keine Angst, es passiert trotzdem irgendwann – aber es sollte wirklich die Ausnahme bleiben, hat der Hund erst gelernt wie schön es ohne den Boss auf der Jagd ist, hat man ein ernstes Problem. Hat der Hund auf seiner Privatjagd erst einmal Erfolg, hat man ein sehr ernstes Problem.
Auch hier bietet ein Hundeortungsgerät eine riesige Chance. Gerade am Anfang bin ich dem ungewollt ausgerissenen Hund prompt gefolgt – auch wenn das ein wirklich sportives Ereignis bedeutet.
Er hatte die Nase stets unten und mußte ja auch noch Laut geben und war darum nicht allzu schnell und er war extrem überrascht, dass ich plötzlich -wie aus dem Nichts- vor seiner Nase, möglichst direkt auf der Fährte, dastand und zwar ohne, daß ich mich vorher schon durch nerviges, völlig nutzloses Herangerufe bemerkbar gemacht hatte. „…ups - da ist er ja schon wieder - Jagd ohne den Boss gibt es halt doch nicht …“ Ich habe ihn ohne Überschwang freundlich angesprochen, "seine" Jagd abgebrochen und sofort freudestrahlend begonnen einige disziplinierte Fußgeh- und Ablegübungen durchzuführen.
Wenn nur wenige Meter vor Zhivago´s Nase Wild aufsteht, ist er ohne Leine nicht zu halten, ich rufe dann auch nicht sinnlos hinterher, so würde ich ihm nur das Erlebnis verschaffen, dass er nicht unbedingt hören muss. Arbeitet er aber gerade am Riemen, halte ich kommentarlos und völlig ruhig fest und spreche ihn freundlich an. Er erinnert sich dann schnell, dass dieses Spiel noch nie zum Ergebnis führte, während die Fährtenarbeit, bei der wir ja eigentlich gerade sind, Chance auf echten Erfolg hat.
Und die erste Hetze am Ende einer Krankfährte kommt sowieso irgendwann. Ich war überrascht wie gekonnt Zhivago als noch nicht Zweijähriger sein erstes laufkrankes Reh niederzog, an der Drossel packte und abwürgte, immerhin lässt sich diese Situation nicht realistisch üben. Spätestens von diesem Moment an war ihm klar: „Nachsuche ist ja eine richtige Jagd – mit echter Beute …“
Der Hund und die Schweißfährte.
Blut nennt der Jäger das was im Körper des Tieres ist, Schweiß nennt er das Blut, das ausgetreten ist, sich also außerhalb des Körpers befindet. Wenn das nicht mal eine der vielen Begriffsverwirrungen ist, die immer da auftreten, wo viele Ideologen am Werk sind? So wie das Hutziehen an der Strecke heute als Trauergeste oder Respekt vor dem Tod, mit gesenktem Kopf und Trauermine - wie am Grabe eines Verstorbenen - zu absolvieren ist, obwohl die Geste des Hutlüftens an der Strecke jahrhunderte lang als letzter fröhlicher Gruß an das Wild gedacht war.
Ich weiß aber eines sicher:
der „Schweiß“ (Blut) ist genau das, was meine Hunde fast nie suchen, sicher hat dieser auch eine Aufgabe auf der Fährte, er ist aber bei meinen Hunden nicht das Objekt der Begierde. Meine Hunde lesen den Abdruck der Schale oder dessen was den Boden berührte und sie lesen die niedergegangene Partikelwolke, die jedes Lebewesen hinterlässt, weshalb sie regelmäßig „neben der Spur sind“. Denn diese Partikelwolke wird oft vom Wind etwas verdriftet, bevor sie zu Boden sinkt. Bei frischem Schnee lässt sich das sehr gut verfolgen. Auch der Wolf versucht sich aufgrund des "Körpergeruches" des potentiellen Opfers ein komplexes Bild von dem Zustand seiner Beute zu machen.
Auch kann ich beobachten, dass meine Hunde regelmäßig eine „schweißlose“ Krankfährte in einem Bündel von gesunden Fährten annehmen und arbeiten, ohne dass ich ihnen diese Fährte gezeigt hätte. Ich habe den Hund einfach die -vom Schützen beschriebene- Schusslinie, oder eine, wenige Meter parallel verlaufende Linie, entlanglaufen lassen, ohne selbst Kenntnis von der „Spurenlage“ zu haben. Oft finde ich dann, hinter dem festgesaugten Hund, erst nach über 100 Metern den ersten mickrigen Schweiß(Bluts)tropfen, oder ich finde gar keinen Schweiß. Würde (für mich sichtbarer) Schweiß die Voraussetzung für eine erfolgreiche Suche sein, wäre meine Erfolgsquote sicherlich nur noch ein Bruchteil. Wir werden ja gerade dann gerufen, wenn "nichts zu sehen" ist. Wie oft finden wir wenigstens einzelne Abschnitte einer Krankfährte ohne sichtbaren Schweiß vor. Die Bracke Hannibal hat Fährten mit zu viel Schweiß immer wieder regelrecht abgelehnt. Inwieweit mikroskopisch kleine, für uns unsichtbare, Schweisstropfen eine Bedeutung haben, kann ich naturgemäß nicht einschätzen. Ich kann aber sehr wohl sehen, dass die Nase des Hundes im Schalenabdruck ist, ja, er diesen manchmal mit der Pfote noch aufbuddelt, Steine umdreht und das Trittsiegel regelrecht seziert, während er die sichtbaren Schweißtropfen direkt daneben völlig ignoriert. Ich denke der Hund sucht das, was dem Begriff „Schweiß“ viel näherkommt: Körperausdünstungen und die dazugehörigen Partikel und nicht Blut.
Darum trainiere ich meine Hunde mit Fährtenschuhen, diese stehen im absoluten Mittelpunkt der Ausbildung. Ich habe bisher nicht eine Fährte mit Schweiß (Blut) getupft. Seit Jahren nutze ich die Fährtenschuhe "Suchenheil", nachdem die Schnalle zur Befestigung der Schalen mit einer kleinen Sicherung gegen unbeabsichtigtes Öffnen versehen wurden, läßt dieser Fährtenschuh keine meiner Wünsche mehr offen und hält auch ungezählte "professionelle" Einsätze im dichten Gestrüpp viele Jahre durch.
Mit 4 Monaten halten meine Hunde problemlos eine 300m Fährte die seit vielen Stunden liegt. Mit 6 Monaten arbeiten wir bereits eine VFSP - ähnliche Fährte am Riemen (über 1000m lang, über 20 Stunden alt, mit mehreren Haken und verschiedenen Bodenarten).
Meine Welpen arbeiten getretene Fährten bevor sie die Begriffe "Ablegen" oder "Sitz" auch nur zum ersten mal gehört haben. Ich glaube, daß ich so im -noch wachsenden- Gedankenfach der Kleinen sozusagen eine Voreinstellung am "Filter" vornehme. Jeder Hund muß ja die immense Bandbreite der Aromen, die er aufnehmen kann "bewerten", das tut er sicherlich unbewußt. Ich priorisiere also bestimmte geruchliche "Szenen" solange der Hund noch in der Prägungsphase ist. Dazu gehören selbstverständlich möglichst viele "echte Szenen". Es hilft also sehr, wenn alle jagenden Freunde mitspielen und es ermöglichen, daß der Hund nach einer Erlegung die Szene ausgiebig "inspizieren" darf, bevor das Stück geborgen wird.
Jedes erlegte Schmalreh wird vom Anschuß an "gearbeitet" - auch wenn es nur 10m gelaufen ist. Ankommende Gesundfährte - Anschuß mit Partikelwolke - Krankfährte - Beute, das ist für den jungen Hund wie das Lesen eines ganzen Romanes.
Ich habe immer wieder den Eindruck, daß die -natürlich notwendigen- Übungen der Disziplin sogar deutlich einfacher sind, wenn der Hund durch "seine Arbeit" ausgelastet und zufrieden ist.
Vom Wildhändler hole ich mir Decken mit den passenden Schalen (mein Wildhändler lässt die Schalen gleich an der Decke), diese friere ich ein und halte mir einen regelrechten Vorrat. Ist es nicht zu warm, verträgt das Ganze sogar noch einen oder gar zwei weitere Gefrier- und Auftauvorgänge, oder ich hänge das Ganze in die Kühlung und arbeite damit, bis es beginnt zu müffeln.
Dr. Zhivago hat so weit über 100 Übungsfährten absolviert. Die echten Übungsfährten nicht mitgerechnet. Fährtenschuh treten – treten – treten … und am Ende liegt selbstverständlich die passende Decke, nicht irgendeine und auch keine Wurst, denn wir fressen unsere Beute ja nicht - niemals! Die Wurst gibt es, wenn wir nach getaner Arbeit auf der Kofferraumklappe sitzen und mit sanftem Körperkontakt unsere stille Minute zelebrieren, meine Hunde lieben das.
Zhivagos älteste Übungsfährte lag eine knappe Woche, die längste ging über viele Kilometer. Dabei habe ich anfangs kleinste Punkte im Vorübergehen an die Bäume gesprüht, um so die Arbeit des Hundes zu überprüfen, später ließ ich diese Markierungen weg. Das machte die Suche auch für mich realistischer. Ich darf nicht auf die Idee verfallen, den Hund auf der Fährte zu führen.
Die Übungsfährten hatten jedes Alter von 1 Stunde bis mehrere Tage, alle möglichen Wildarten, Waldarten, Bodenarten, Wetterbedingungen, Temperaturen, Tageszeiten.
Stets habe ich zwei Fährtenschuhe verwendet mit meinen normalen Waldstiefeln, ohne diese geruchlich zu "neutralisieren" was sowieso nicht klappt. Ich konnte beobachten, dass der Hund tatsächlich nicht meinen Fußabdruck sondern den Schalenabdruck prüft, die Decke habe ich oft in einer Tüte mitgeführt, so konnte ich zwischendurch Wundbetten simulieren, zu Beginn habe ich mitunter mit der Pistole einfach durch die Tüte, die ich über den Start hielt, geschossen, realistischer kann man einen Anschuss kaum noch simulieren. Kommen wir an, wälze ich mich mit meinem Partner vor Freude auf dem Boden, zerre an der Decke, die der Hund nun gründlich beuteln darf, beginnt er zu fressen unterbreche ich das Spiel sofort und zische ihn ganz leise an, beginne aber sofort wieder, wenn er gewünschtes Verhalten zeigt.
Hat der Hund Schwierigkeiten auf der Fährte, helfe ich ihm freundlich, der Hund soll schließlich ein Erfolgserlebnis haben und zwar jedes Mal. Versagt der Hund, führe ich ihn zum Ziel und freue mich ebenso – eine Krankfährte hat immer ein Ziel. Das soll der Hund begreifen.
Rehe sind iiih ... ?
Dann ist da noch die Sache mit dem Rehwild, es soll „Eliteschweißhundeführer“ geben, die kein Rehwild suchen, ich kenne einige Berufsjäger, die diese Ansicht teilen, ihren Hund noch nicht einmal an einem erlegten Reh schnuppern lassen.
Ich glaube nicht, dass mein Hund so dumm ist, dass er Rehwild und dessen Witterung nicht sowieso „kennt“. Zugegeben, Rehwild, das überall so lustig herumspringt, verlockt die Hunde schon sehr zur fröhlichen Brackade, aber das tun Hasen auch. Und meine Hunde suchen auch ein Rottier, wenn sie noch vor 20 Minuten ein Reh suchen mussten, auch hinterlässt das zierliche Reh deutlich weniger „Spuren“ als das massige Rottier. Und die Ablenkung auf der Krankfährte durch ein eben gerade kreuzendes, vielleicht sogar sichtbares Reh, muss ich sowieso in den Griff bekommen. Ich quittiere eine solche Situation mit kommentarlosem Warten am strammen Riemen, der Hund wird sich an seine viel erfolgversprechendere Krankfährte ganz von selbst erinnern.
„… Rehwildschweiß ist zu süß …“ (wegen der Zwischenzehen-Klauendrüse und der Hautdrüsen) – wirklich??? …. mein Hund hatte vorhin, nachdem er zu Hause stundenlang den aromatischen Bratenduft des Mittagessens in der Nase hatte, dieselbe noch fix in dem Schei…haufen (sorry) des Nachbarhundes, dann saß er im Auto direkt neben der Wildwanne, die noch deutlich nach der gerade erlegten Sau roch, hat auf dem Streckenplatz noch fix am in die Büsche geworfenen Aufbruch mit Panseninhalt geschnuppert, schnell noch einige Züge Bratwurstduft mit Kohlenrauch beim Caterer genommen, bevor er jetzt schon wieder arbeitet - und nun soll er von der „Süße“ des Rehwildduftes so irritiert sein, dass er dann den noblen Hirsch nicht mehr riechen kann oder mag ??? Ich kann diesen Sachverhalt mit keiner einzigen Beobachtung bestätigen. In unserem Landstrich suchen alle altbekannten „Profis“ auch Rehwild, alles andere würde in unserer sehr rehwildreichen Gegend auch nur Befremden auslösen. Und wie macht das eigentlich der Wolf?
Der Finderwillen.
Er steht im absoluten Mittelpunkt aller meiner Bemühungen. Wenn ich seit Stunden oder sogar Tagen auf einer Krankfährte bin, mit Glück ab und zu wieder Bestätigung durch etwas Schweiß, kein Ziel, kein Ende in Sicht, dann zählt nur noch der Finderwillen meines Hundes. Lässt seine Lust, sein Willen nach, ist meine Suche bald erfolglos zu Ende. Ich kann mir vorstellen, dass die nötige Nasenleistung von den meisten Hunden erbracht wird, aber erst die Lust „dran zu bleiben“, auch nach wiederholtem Verlust der Fährte, diese in großen Kreisen mühevoll immer wieder zu suchen, wird mir auf schwierigen Suchen den Erfolg bringen. Während der gesamten Ausbildung fragte ich mich stets: könnte dieses oder jenes Verhalten seinen Finderwillen negativ beeinflussen? Schon der 10 Wochen alte Welpe war sich beim Finden seines Fressnapfes meiner ungeteilten Freude sicher. Gemeinsam etwas „Finden“ muss das Credo in seinem Leben sein und darf niemals negativ besetzt werden. Was diesen Punkt angeht, habe ich praktisch alle anderen „Ausbildungsziele“ immer hintan gestellt. Was nutzt die schönste Folgsamkeit, wenn auf der Fährte die Lust am "Spurhalten" nach einer halben Stunde endet. Ich kenne auch Bracken, die vor lauter "Sorge" alles richtig zu machen, in ihrer Leidenschaft deutlich eingeschränkt sind. Ich habe den Eindruck, dass bei diesen Hunden die Unsicherheit ihre ganze Arbeit dominiert, bis hin zur Ängstlichkeit. Ich kenne Bracken, die unter der Dressur die Jagd komplett eingestellt haben. Ich denke besonders die Brandlbracke lässt sich schnell verunsichern, das macht sie schwierig. Vielleicht braucht gerade diese Hunderasse besonders viel Vertrauen zu Ihrem Chef. Kann ich die fröhliche Leidenschaft des Hundes durch eine Dressur zum perfekten Gehorsam „hindurchretten“? Diese Frage muss ich mir wohl bei jedem Hund individuell stellen. Mir ist klar, dass mein Doktor Zhivago Defizite in der Sozialisation hatte, weil ich in der Ausbildung seinen Beutetrieb und seine Freude am Suchen mehr im Blick hatte, als die Einübung verschiedener anderer nützlicher Fähigkeiten und die Sozialisation mit Artgenossen - schließlich ist auch meine Zeit, die ich für die Ausbildung aufwenden kann, endlich.
Schau mir in die Augen, Kleines
Es ist wissenschaftlich nachgewiesen: Hunde können unsere Mimik lesen. Jeder Hundebesitzer kennt die Momente, in denen der Hund uns –oft etwas verstohlen „von der Seite“- ausdauernd mustert, indem er uns direkt in das Gesicht schaut. Erst wenn wir scharf zurückschauen wendet er sich ab. Unsere Hunde können unseren Gemütszustand erstaunlich detailliert in unserem Gesicht erkennen. Darum fordert die Begegnung mit unserem Freund unsere Authentizität. Die größte Wurst, die wir ihm zustecken, wird nicht die Wirkung entfalten die unsere ehrliche Freude über seinen Erfolg haben kann.
Viele Kynologen betrachten diese Wahrnehmungsfähigkeit des Hundes als die entscheidende Fähigkeit, die eine Sozialisierung zwischen Hund und Mensch erst ermöglichte. Der Hund nimmt unsere Befindlichkeitswelt wahrscheinlich deutlich komplexer wahr, als wir die Seine. Für eine gute Teamarbeit ist unsere Eintrittspforte zu ihm also die Möglichkeit, unserer Befindlichkeit eine Wichtigkeit in seinem Leben zu geben. Ist sie ihm erstmal wichtig, können wir ihn regelrecht steuern mit unserer Interessiertheit, unserer Freude, unserer Zuneigung aber auch unserer Ignoranz, unserer Ablehnung - wenn wir uns heranlassen echte Gefühle zu kommunizieren.
Aber das steht uns doch auch im Umgang mit unseren Mitmenschen gut an, ebenso wie die Zuverlässigkeit in unserer Alltagsgestaltung.
Was suchen wir
Zwei Aufgaben stehen im Vordergrund:
das "Auseinanderbuchstabieren" eines Anschusses und der folgenden Wundfährte und das Erkennen einer Wundfährte, auf die wir in ihrem Verlauf "zufällig" stoßen. Ich denke ein Anschuß mit der direkt anschließenden Krankfährte ist ein hochkomplexes geruchliches Geschehen für den Hund. Die größte Faszination ist aber, daß der Hund erkennen kann, daß eine Fährte von einem kranken Tier stammt, obwohl dieses Tier erst wenige Meter vom Ort des "Krankwerdens" zurückgelegt hat und der Hund den Anschuß selbst gar nicht "untersucht" hat. Wie oft komme ich bei Kontrollen nach Drückjagden zufällig auf völlig schweißlose Wundfährten, die der Hund dann spontan annimmt - und schon bald stehen wir vor der verendeten Sau oder sogar vor dem starken Hirsch, der nicht freigegeben war und den niemangd gemeldet hat. Wie oft lag der tatsächliche Anschuss mal eben 50 Meter neben der Markierung des Schützen - schon fast eine Standardsituation.
Ich möchte einen intelligent jagenden Hund auf der Suche.
Was ist ein intelligent jagender Hund?
Wenn ich meinen Hund auf einer vielversprechenden Nachsuche schnalle, weil wir Sichtkontakt zu "unserem Stück" haben und der Hund bricht die Hetze nach 200 Metern selbstständig ab, weil er gemerkt hat, dass er nicht "unser Stück" vorhat, kommt auf direktem Weg zu mir zurück, direkt vorbei an dem inzwischen in Sichtweite losgebrochenen Rest des Rotwildrudels, setzt sich vor meine Füße, um sich ganz ruhig das Geschirr wieder anlegen zu lassen, greift 20 Meter zurück um dann nach vielen weiteren Kilometern unnachgiebiger Riemenarbeit, inklusive Flussüberquerung, mit Umgehung bis zur nächsten Brücke, das "richtige Stück" in der Deckung eines kleinen Fichtenschopfes regelrecht zu überfallen und mit einem Drosselbiss unter Einsatz des eigenen Körpergewichtes, durch Anziehen der Läufe (Kleinmachen), am Boden zu binden, bis ich das Stück abgefangen habe - dann, ja dann hat er intelligent gejagt.
Wir wollen Hunde die die Fährte deuten und dann daraus die richtigen Schlüsse für ihre weitere Herangehensweise ziehen können. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß diese "Intelligenz" mit einer Reihe Rinderblutstropfen oder einer Schleifspur mit Aufbruch gefördert oder "herausgefordert" werden kann.
Von Beginn an habe ich darum ein besonderes Augenmerk auf möglichst viele realistische und komplexe Übungssituationen gelegt. Natürlich kann jeder gute Hund auch eine Spur die mit Appenzellerkäse gelegt wurde arbeiten, aber wir üben ja auch nicht wochenlang Mozart, wenn wir mit Schubertliedern einen Gesangswettbewerb gewinnen wollen. Schon mit 12 Wochen habe ich meinen Hund „wie zufällig“ und ohne jede Anweisung auf möglichst viele Anschüsse geführt, hat das Stück keine Flucht hingelegt, habe ich das unaufgebrochene Wild einfach einige Meter weiter, möglichst mit Wind im Rücken, in die Dickung gezogen und zwar jede erdenkliche Wildart. Das geht natürlich nur, wenn der Hund nach dem Schuß auch sofort "zur Hand" ist. Hätte der Hund kein Interesse gezeigt oder hätte er mit der Situation nichts anfangen können, hätte ich ihn genauso zufällig und kommentarlos wieder abgenommen. Das ist aber gar nicht nötig gewesen, da Zhivago schon als Welpe sofort Interesse gezeigt hat und spontan der Krank- oder Schleifspur gefolgt ist. Natürlich haben wir sehr bald auch ältere Anschüsse aufgesucht, dann habe ich z.B. das abgeschlagene Haupt des Stückes an das Ziel gelegt, da die Beute natürlich inzwischen geborgen werden mußte. Stets gehörte die Beute auch wirklich zur Krankfährte. Zhivago wollte auf seiner Prüfungsfährte über das am Ziel gefundene und von ihm völlig ignorierte Stück hinaus weiterarbeiten, weil die dort liegende Sau nicht zu den Schalen der Kunstfährte gehörte - die Suche für ihn also noch nicht zu Ende war.
Wir haben uns immer riesig über die Beute am Ende der Spur gefreut. Mein Hund sollte, wie im Spiel, möglichst exakt das kennenlernen, was ihm auch später ständig begegnen wird - eine mit dem Aufbruch gezogene Spur gehörte zum Beispiel nicht dazu – er soll schließlich auch später nicht Aufbruch suchen. Auch Rinderblut, nicht zusammen passende Körperteile oder nicht zur Beute passender Schweiß waren bei mir absolut tabu. Alle meine Hunde "lesen" die Anschüsse mitunter sehr intensiv, drehen Äste oder Steine mit der Pfote um, obwohl sie offenbar längst wissen, wo die Reise hingeht.
Das am Ende „Fressen“ liegt, ist selbstverständlich die Ursache für das Interesse, aber warum soll ich erst eine leckere Mahlzeit präsentieren (z.B. am Ende liegender Aufbruch), wenn die Hunde hinterher wieder frustrierend lernen müssen, die Beute nicht anzuschneiden? Ist die Beute noch unaufgebrochen, kann er einfach nicht sofort mit dem Fressen beginnen. Meine eigenen Fußspuren waren dabei stets sehr uninteressant für die Hunde – und selbst diese gehören ja zu einem realitätsnahen Fährtenbild, ist die „zertrammpelte“ Fährte doch eine häufige Situation im „echten Leben“.
Gefundenes Wild durfte stets nur an der Drossel gepackt werden, hier darf er allerdings nach Herzenslust zubeißen, und das "Kauen" auf der Drossel -und eben nicht auf dem Träger insgesamt- ist ja seine einzige Möglichkeit das Leben eines Stückes Schalenwild wirklich zu beenden, nebenbei vermeiden wir so auch noch Wildbretentwertung.
Ich glaube fest daran, dass ein Hund die komplexe geruchliche Situation an einem Anschuss und z.B. in einem Fährtenbündel wesentlich detaillierter und differenzierter wahrnimmt, als wir so gemeinhin glauben. Wer schon mal einen routinierten Hund beim Ausbuchstabieren einer tagealten Krankfährte, in einem völlig von Wild und Mensch „verstänkerten“ Areal beobachtet hat, kann eigentlich nur beeindruckt sein. Und wie kann ein Suchhund schon nach 2 Metern Fährtenarbeit auf der Vorsuche die Richtung des Wildes sicher bestimmen, obwohl die Fährte schon Tage liegt?
Was ist nun aber "die Essenz" in der Ausbildung, um einen guten Nachsuchehund heran zu bilden, um auf der anspruchsvollen Krankfährte gute Arbeit abliefern zu können?
Zuerst sehe ich da den Finderwillen, oder auch Fährtenwille. Bleibt der Hund auch über Stunden hochmotiviert und bei guter Laune und zwar weil er wirklich will und nicht weil er halt diszipliniert ist, ist das sicherlich die halbe Arbeit.
Dann sehe ich da die Fähigkeit des Hundes eine "kranke" von einer "gesunden" Fährte unterscheiden zu können, auch ohne Schweiß, ohne Gewebe oder ähnliches und ohne den Anschuss untersucht zu haben.
Wenn er diese Fähigkeit mit der Erfahrung verknüpft, das nur diese Krankfährten wirklich zu Beute führen, wirklich eine vollendete Jagd bedeuten, dann wird er auch im Fährtengewirr, immer wieder versuchen das kranke Stück herauszubuchstabieren.
Und was "die Essenz" bei der Arbeit mit Bracken angeht:
ich glaube Bracken kann man nicht "dressieren", im Sinne von "etwas tun, das eigentlich nicht zu den Lieblingstätigkeiten gehört". Sie lassen sich ungern "rekrutieren". Man kann sie nur durch Zuwendung "bitten", das, was sie am liebsten tun möchten, für uns zu tun. Und auf das, was sie am liebsten tun möchten, können wir in jungen Jahren schon Einfluß nehmen.
Zu guter Letzt:
niemand glaube, daß bei uns nun alles immer perfekt lief und läuft ... wir sind halt alle nur Menschen ... Tiere.
Das fröhliche, helle Geläut der auf der Spur sausenden Bracke, kurz bevor sie die Jagd ordentlich zu Ende bringt, ist der musikalische Lohn unserer Arbeit.
Tschüß und ein kräftiges "Ho Rüd ho" ....
Sir Lancelot
Ein neuer Hund - ein neuer Weg.
Ein völlig anderer Typus fand hier seinen Weg zu mir, während Zhivago mit professoraler Gewissenhaftigkeit arbeitete, läßt Lancelot die Dinge mit bäuerlicher Schlauheit auf sich zukommen.
So konnte ich mir zum Beispiel das Legen von Futterspuren im Garten komplett sparen, da der Kleine einfach drauflos stolperte nach der Devise: "Rüssel hoch.... finde ich sowieso, warum soll ich mir soviel Arbeit damit machen...". Und er fand auch.
Also habe ich bei Lancelot sofort mit getretenen Fährten begonnen, auch Schleppen mit Wild fand er "wegen Unterforderung" doof. So hob ich das Niveau schnell an, denn ihm mußte klar gemacht werden: "Rüssel runter!". Der Welpe hat so bereits komplexe Fährten gearbeitet.
Aber noch konsequenter habe ich bei diesem Hund folgendes Ausbildungschema verfolgt:
erst das Vergnügen der Arbeit auf der getretenen und der echten Fährte, dann die Disziplin.
So fand während des ersten Jahres praktisch keine Ausbildung in den Fächern des Gehorsames statt.
Der auf der Suche ausgelastete Hund, der nach einem Jahr "wußte", daß er überall in seinen favorisierten Fächern glänzen darf, begriff intuitiv, daß der nun geforderte Gehorsam eine akzeptable Randerscheinung ist um mich bei Laune zu halten, denn ich bin sein Weg und sein Garant zu den schönsten Dingen, den wunderbarsten Abenteuern des Lebens.
Das ist die oft beschriebene Führigkeit der Bracken.
Wir schenken unseren Hunden ein klein wenig Liebe und Zeit. Dafür schenken sie uns restlos alles, was sie zu bieten haben. Das ist zweifellos das beste Geschäft, das der Mensch je gemacht hat.